Arbeitsrechtliche Aspekte der Corona-Pandemie
– Fragen und Antworten –
von Dr. Hans-Martin Flotho

Kann der Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn die Kollegen husten?

Allein das bloße Husten von Kollegen reicht nicht aus, um zu Hause bleiben zu dürfen. Ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers besteht nur dann, wenn es für ihn unzumutbar ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Das ist der Fall, wenn die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Allein das Husten anderer dürfte hierfür nicht ausreichen.

Haben Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, von zu Hause aus, also in einem Home Office, zu arbeiten?

Ein solcher Anspruch besteht grundsätzlich nicht. Allerdings können Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge einen solchen Anspruch vorsehen.

Muss der Arbeitnehmer Urlaub nehmen, wenn die Kita oder die Schule seines Kindes geschlossen ist und er keine Betreuung für das Kind sicherstellen kann?

Kann der Arbeitnehmer, trotz ihm zumutbarer Anstrengungen keine Betreuung seines Kindes sicherstellen, so hat er das Recht, zu Hause zu bleiben. Urlaub muss er hierfür nicht in Anspruch nehmen.

Macht der Arbeitnehmer von diesem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch, so behält er seinen Lohn-/Gehaltsanspruch jedoch allenfalls für wenige Tage, und zwar auf der Grundlage der Vorschrift des § 616 BGB. Ist die Geltung dieser Bestimmung jedoch bereits im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag ausgeschlossen worden, so entfällt der Lohn-/Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers ab dem ersten Tag, an dem er sein Kind betreut und deshalb nicht zur Arbeit kommt.

Haben Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf ihre Vergütung, wenn sie, obwohl arbeitsfähig und arbeitsbereit, ihre Arbeit deshalb nicht ausführen können, weil der Arbeitgeber infolge der Corona-Pandemie seinen Betrieb vorübergehend geschlossen hat?

In diesen Fällen erhalten die Arbeitnehmer ihren vollen Vergütungsanspruch. Denn eine Betriebsschließung als Folge eines Personal-oder Lieferengpasses ist grundsätzlich der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzuordnen. Etwas anderes kann sich nur aus einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag ergeben.

Muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der mit dem Corona-Virus infiziert und deshalb erkrankt ist, seine Vergütung weiter bezahlen?

Wie im Falle einer sonstigen Krankheit auch hat der Arbeitnehmer dann, wenn er aufgrund einer Corona-Infektion erkrankt ist, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, und zwar für einen Zeitraum von höchstens sechs Wochen. Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer haben anschließend einen Anspruch auf Krankengeld.

Hat der Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch auch dann, wenn er nicht zur Arbeit kommen kann, weil infolge der Corona-Pandemie öffentliche Verkehrsmittel außer Betrieb gestellt worden sind?

In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer keinen Vergütungsanspruch. Denn das Risiko, zu seinem Betrieb zu gelangen, also das sogenannte Wegerisiko, trägt allein der Arbeitnehmer.

Kann ein Unternehmen Kurzarbeit beantragen, wenn es infolge der Corona-Pandemie seine Produktion herunterfahren muss?

Betroffene Unternehmen können Kurzarbeitergeld bei der für Sie zuständigen Agentur für Arbeit beantragen. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes prüft die zuständige Agentur.

Das Kurzarbeitergeld kann für eine Dauer von bis zu einem Jahr bewilligt werden. Es wird in der Höhe des Arbeitslosengeldes bezahlt. Das Kurzarbeitergeld beträgt 67 bzw. 60 % der Differenz zwischen dem Nettoentgelt, das ohne den Arbeitsausfall bezahlt worden wäre, und dem Nettoentgelt aus dem tatsächlich erhaltenen Arbeitsentgelt.

Hat ein Arbeitnehmer, der aufgrund behördlicher Anordnung unter Quarantäne steht oder einem sonstigen Tätigkeitsverbot unterliegt, gleichwohl einen Anspruch auf seine Arbeitsvergütung?

Ein Arbeitnehmer, der infolge einer behördlichen Anordnung seine Arbeit nicht verrichten darf, hat gemäß § 616 BGB für einen, je nach den Umständen des Einzelfalls unterschiedlich langen, sich maximal jedoch auf sechs Wochen erstreckenden Zeitraum einen Entgeltanspruch gegen seinen Arbeitgeber.

Soweit ein Vergütungsanspruch gemäß § 616 BGB nicht besteht, etwa weil diese Vorschrift in dem Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag für unanwendbar erklärt worden ist, haben die Arbeitnehmer, die als Ansteckungsverdächtige auf Anordnung des zuständigen Gesundheitsamtes isoliert werden und deshalb einen Verdienstausfall erleiden, einen Entschädigungsanspruch nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes. Hiernach erhalten die betroffenen Arbeitnehmer für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen eine Entschädigung in Höhe ihres Verdienstausfalls. Anschließend, also von der siebten Woche an, reduziert sich die Entschädigung auf die Höhe des Krankengeldes.

Die Entschädigung nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Höhe des Nettolohnes für die Dauer der Isolierung zu bezahlen. Der Arbeitgeber wiederum hat einen Anspruch auf Erstattung dieser an den Arbeitnehmer bezahlten Entschädigung. Er muss insoweit einen entsprechenden Antrag stellen.
Keinen Anspruch auf eine Entschädigung haben Arbeitnehmer, die sich aufgrund staatlicher Anordnung isolieren müssen oder die einem sonstigen Tätigkeitsverbot unterworfen worden sind, und die zusätzlich auch noch erkrankt sind. Diese Arbeitnehmer erhalten eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie anschließend Krankengeld.

Müssen Arbeitnehmer Überstunden leisten, um krankheitsbedingte Arbeitsausfälle anderer Kolleginnen und Kollegen auszugleichen?

Grundsätzlich besteht die Pflicht, Überstunden zu leisten, nur dann, wenn diese Pflicht in einem Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag ausdrücklich so vorgesehen ist. Darüber hinaus kann sich eine Pflicht zur Leistung von Überstunden auch als eine vertragliche Nebenpflicht ergeben, und zwar dann, wenn die Überstunden erforderlich sind, um einen ansonsten dem Arbeitgeber drohenden erheblichen Schaden abzuwenden. Eine solche Lage könnte sich ergeben, wenn eine Mehrzahl von Betriebsangehörigen infolge der Corona-Pandemie seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

Wichtig ist es, dass eine Überstundenvergütung nur dann verlangt werden kann, wenn der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet oder jedenfalls geduldet hat.

Was muss der Arbeitgeber tun, um seine Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu schützen?

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung vornehmen. Er hat hiernach die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten am Arbeitsplatz zu beurteilen und hieraus geeignete Maßnahmen abzuleiten. Weitere Pflichten können sich im Rahmen der nationalen Pandemieplanung ergeben. Hinweise hierzu gibt das Robert-Koch-Institut.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn eine beschäftigte Person mit biologischen Arbeitsstoffen umgeht. Insoweit ist dann die Biostoffverordnung anzuwenden. Hiernach sind Biostoffe wie Viren, Bakterien etc. in der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Aufgrund der besonderen Gefährdungslage muss der Arbeitgeber für solche Beschäftigten besondere technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen entwickeln und umsetzen. In Betracht kommt etwa die Abtrennung der Arbeitsbereiche oder die Beschränkung der Mitarbeiteranzahl. Erforderlich kann es auch sein, die solchermaßen gefährdeten Arbeitnehmer mit Schutzhandschuhen oder Atemschutzmasken auszustatten. Schließlich muss der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer, die in der beschriebenen Weise besonders gefährdet sind, über die Gefährdungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, ausführlich beraten.

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung. Ein erstes Beratungsgespräch aus Anlass der Corona-Pandemie führen wir für Sie kostenlos durch.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir für den Inhalt dieser Informationsschrift nur nach einer individuellen Beratung die Haftung übernehmen können.

Stand: 16. März 2020

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